Barbara, die Escuela Lyoness hat ein schwieriges Schuljahr hinter sich. Was waren die größten Herausforderungen, mit denen ihr zu kämpfen hattet?
Die plötzliche Umstellung auf Distance Learning stellte Lehrer überall auf der Welt vor große Herausforderungen. In einem Entwicklungsland wie Honduras sind die Hürden, die es da plötzlich zu überwinden gibt, aber noch sehr viel höher, als es zum Beispiel in den meisten europäischen Ländern der Fall ist. Ein großer Teil unserer Schüler stammt aus sehr armen Verhältnissen und hat zu Hause keinen Zugang zum Internet. Für sie ist die Anwesenheit an der Schule die einzige Möglichkeit, am Unterricht teilzunehmen. Als es dann plötzlich hieß, wir müssen die Schule schließen und auf Fernunterricht umstellen, standen wir vor einer unüberwindbar scheinenden Hürde. Denn gleichzeitig wurde ja auch die Ausgangssperre verhängt und niemand durfte seine Wohnung verlassen. Wie sollten wir unsere Schüler unterrichten, wenn es keine Möglichkeit gab, sie zu erreichen?
Wurde angedacht, dass die Eltern ihre Kinder selbst unterrichteten?
Ganz ehrlich? Das war von Anfang an keine Option, nein. Ein großer Teil unserer Schüler stammt aus den umliegenden Armenvierteln von La Ceiba. Ihre Eltern haben oft selbst nie eine Schule besucht und in einigen Familien sind unsere Schüler sogar die einzigen, die lesen und schreiben können. Die Schulbildung, die sie an der Escuela Lyoness erhalten, ist für viele der einzige Weg raus aus der Armutsfalle, in der ihre Familien oft schon seit Generationen gefangen sind. Man merkt deutlich, dass das selbst den jüngsten unter ihnen bewusst ist, denn der Arbeitseifer, den diese Kinder an den Tag legen, ist außergewöhnlich. Natürlich gibt es auch Eltern, die sehr wohl in der Lage sind, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen, aber auch von ihnen kann nicht verlangt werden, dass sie den Unterricht völlig übernehmen. Das Hauptproblem war und ist noch heute, dass so viele Kinder zu Hause einfach keine Möglichkeit haben, das Internet zu nutzen.
Wie sind die Lehrer mit dieser herausfordernden Situation umgegangen?
Nachdem der erste Schock vorbei war, fanden unsere Lehrer individuelle Lösungen, um jedes Kind zu erreichen. Die wenigsten unserer Schüler haben Zugang zu einem Computer, aber zumindest gibt es bei einem Teil von ihnen die Möglichkeit, sie zu Hause via Smartphone oder zumindest via Telefon zu unterrichten. Die Lehrer verbrachten Stunden auf WhatsApp oder in Telefongesprächen, um Fragen zu beantworten, neuen Stoff zu erklären oder um mit den Eltern zu sprechen. Das größte Problem stellt es dar, jene 40 Prozent unserer Schülerschaft zu erreichen, in deren Familien keine dieser Möglichkeiten vorhanden ist. Sie völlig vom Unterricht auszuschließen kam für unsere Lehrer nicht in Frage und deshalb beschlossen sie, das Risiko einer Strafe in Kauf zu nehmen und diesen Kindern den Lehrstoff sowie Arbeitsmaterialien dazu in ausgedruckter Form trotz des totalen Ausgangsverbots nach Hause zu bringen. Sie arbeiteten in den vergangenen Monaten beinahe rund um die Uhr, um jeden Schüler zu erreichen und Methoden zu entwickeln, um sie in dieser schwierigen Situation bestmöglich unterstützen zu können.